Die Tradition der Weisheit

Visionen und Prophezeiungen der Göttin


Mit dieser ersten Übersetzung des dritten Bandes aus der Serie History Enlightened - Erleuchtete Geschichte stellt der Autor einen qualifizierten Überblick auf mehr als 2.000 Jahre umfassende Einzelüberlieferungen zur spirituellen Tradition der Weisheit in Europa bereit.

 

Er beschränkt sich dabei nicht nur auf traditionell als religiös charakterisierte Arbeiten, sondern präsentiert auch Auszüge aus Werken Hildegard von  Bingens, Dante Alighieris, Jakob Böhmes, Johann Wolfgang von Goethes,  Nikolas Roerichs, William Blakes – um nur die bekanntesten zu nennen.

 

Die Bezeichnung „Göttin“ auf die Qualität der Weisheit an sich anzuwenden, erscheint dem Autor nur zu gerechtfertigt. Aus seiner südasiatischen Perspektive stützen die vorgestellten Visionen des Weiblichen nicht nur die für europäische Denkweisen eher ungewöhnliche Vorstellung von „einer Göttin, viele Manifestationen“. Besonders im Westen kann man sie auch als den vernachlässigten weiblichen Aspekt des männlich geprägten Gottesverständnisses verstehen, der seinen Anhängern unter unterschiedlichen Namen wie Sophia, Philosophia, Sapientia, Natura oder das Ewig-Weibliche mit Rat und Tat zur Seite steht. Die Ergebnisse des Autors lassen es nicht vermessen erscheinen, dieses Göttlich-Weibliche mit dem Heiligen Geist, dem mütterlichen Aspekt der christlichen Dreifaltigkeitsvorstellung, gleichzusetzen.

 

Die angeführten Beispiele belegen nicht nur, wie das Göttlich-Weibliche in unterschiedlichen Erscheinungsformen im Großraum Europa wahrgenommen und verehrt wurde. John G. Barmbys Gedicht The Woman-power verweist stellvertretend auf ein bevorstehendes neues Zeitalter im Zeichen des Advents dieses Prinzips.

 

Das Buch offenbart einen in der europäischen Geschichte verborgen liegenden gemeinsamen Schatz, den es lohnt, zu Tage zu fördern, und es ist ein Muss für jeden informierten und an Selbsterkenntnis interessierten Leser.

 

 


Frauenmacht

 

Wir versammeln uns, Erlöserin, als Ganzes

Für Deinen kommenden und wirklichen Advent,

In der Traube Deines Glanzes,

Komm sei der Erde Fundament?

Dann, vor Deinen sanften Blicken,

Schwert erzittre, Krieg versage,

Soll das Tal der Tausendschöne schmücken,

Jeder Speer als Hirtenstabe.

Kraft der Frau! Der Liebe Form gegeben!

Menschliche Göttin, komm und sei

Die Menschheitsbraut, falls Dich bewegen

Kann des Bräutigams Geschrei.

Erlösen kannst nur Du allein.

Was Du uns lassen möchtest, lass uns sein!

 

Goodwyn Barmby (1820-1881)

Eigene deutsche Übertragung

The Woman-Power

 

Woman-Saviour now we muster

To await thy advent sure,

In the cluster of thy lustre,

Come and leave the earth no more?

Then before thy gentle look,

Swords shall quail and warriors fail,

And the spear, a shepherd’s crook,

Shall adorn the daisied dale.

Woman-power! Incarnate love!

Human Goddess come and be,

If the Bridegroom’s tears can move,

Bride unto Humanity.

Thou alone of all can save us.

Let us be what thou would have us.

 

Godwyn Barmby (1820-1881)



Alle Bilder stammen auf öffentlich zugänglichen Quellen.


Vita Venturi Saeculi

 

 

Be glad with beauty, white with perfect grace,

Sweet Age to come, whose face

Dawns dimly in our prophesying eyes

Eager with good surmise! …

 

Sweet Age to come, whose wings are of white fire,

Deny not our desire;

O kingdom of the Spirit, conquering all

Take willing earth in Thrall!

Let green woods wave thee welcome, and blue seas

Laugh welcome, and each breeze

Be sacred incense round thee: peace appear

Through crystal atmosphere,

Impassioned, perdurable, omnipotent;

Given by God, not lent,

Foretaste of Heaven, ere heaven be all in all,

Come to the vexed world’s call; …

 

Sweet Age to come, declare the doctrine clear;

We wait thee now, wait here!

Sweet Age to come, upon our ready ground

Let lily and rose abound,

With pure supremacy of fragrant state

Sweetening this world of hate,

Which does the wrongs, it knows not, and it knows;

 

Plant thou thy lily and rose!

 

Lionel Johnson (1867-1902)

 Vita Venturi Saeculi

(Das Leben im kommenden Zeitalter)

 

Sei froh in Schönheit, weiß, in makelloser Gnade,

Du süße Zeit, so nahe. – Dein Gestade

zeigt trübe sich im Dämmerlicht

unsern Seher-Augen – voller Zuversicht! …

 

Du süße nahe Zeit, mit Flügeln, weiß, aus Feuer,

sei unser Wunsch Dir nicht zu teuer;

O Königreich des Geistes, über allem,

nimm die willig’ Erde Dir zum Sklaven!

Lass Dir Willkommen winken grüne Heere

und grüßend lachen blaue Meere.

Sei jede Brise heilig’ Weihrauch. Frieden wäre

in der kristall’nen Atmosphäre

voll Leidenschaft, für lange Zeit, mit aller Macht;

Von Gott gegeben, keine Pacht,

ein Vorgeschmack des Himmels, noch eh’ er ganz

der Qual der Welt begegnet – voll mit Glanz; …

 

Du süße Zeit, so nahe, verkünde deutlich Dein Gesetz;

Wir warten hier auf Dich und warten jetzt!

Du süße Zeit, so nahe, lass Lilien, Rosen treiben

im Überfluss auf Feldern, Weiden;

Mit der reinen Herrschaft Deiner Düfte

versüß’ die Welt des Hasses, ihre Klüfte,

die Welt, die Unrecht tut, mal in, mal ohne wissentliche Pose;

Pflanz’ Deine Lilie, pflanz’ die Rose!

 

Lionel Johnson (1867–1902)

Eigene deutsche Übertragung